DES HENKERS KNECHT

Historischer Stralsund-Krimi

20 Jahre hat der Hüne Lukas Twen als Landsknecht für die Reformation gefochten. Doch der Schmalkaldische Krieg und sein Ausgang haben ihm alle Ideale geraubt. Heimatlos und ohne Familie bewirbt er sich als Scharfrichter in Stralsund. Aber die Stadt hat schon einen Fronvogt. Und der scheint sich der Obrigkeit unentbehrlich gemacht zu haben. Zwischen den beiden Männern entspannt sich ein tödlicher Konflikt. Und das gerade jetzt, wo die Liebe zu der schönen Dirne Katharina Lukas‘ Leben einen neuen Sinn gibt.

Es ist belegt, dass im Jahre 1549 der Scharfrichter Martin Tune von seinem eigenen Knecht erschlagen wurde. Auch die Geschichte des erwürgten Säuglings, für dessen Tod Mutter und Großmutter verantwortlich gemacht wurden, findet sich tatsächlich in alten Stralsunder Gerichtsakten. Selbst das Scharfrichterhaus steht noch in den engen Gassen der mittelalterlich geprägten Altstadt.

Katrin Hoffmann: Des Henkers Knecht – Historischer Stralsund-Krimi, Titelbild: Sanzkower Altar, 4. Tafel – Versuchung und Anfechtung des Franziskus durch eine schöne Frau und einen Dämon, um 1525, Kulturhistorisches Museum Stralsund, 1. Auflage Stralsund August 2014, 396 Seiten, Paperback, 19 x 12,5 cm
ISBN: 978-3-941093-16-4

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          »He, mein Großer, willste dir nicht ein wenig
die Hände an mir wärmen? Is bitterkalt heute.«
          »Nee, den lass man, der kuschelt lieber mit seinem
Köter, wenn er Wärme sucht«, rief eine zweite
Weibsperson hinter ihm her.
          Die schrille Frauenstimme pfiff Lukas um die
Ohren, schärfer als der Eiswind.
          Lukas blieb sofort stehen und straffte die Schultern.
Das fehlte ihm gerade noch, dass ihn jemand der
Sodomie mit seinem Hund verdächtigte. Auf so was
stand die Todesstrafe. Seine Miene verfinsterte sich.
Er warf langsam einen Blick über die Schulter und sah
die beiden breit grinsenden Dirnen an die Hauswand
gelehnt. Lukas Twen richtete sich zu seiner ganzen
beeindruckenden Größe auf und trat auf sie zu. Er
sagte kein Wort, sondern starrte sie nur an, bis ihnen
das Grinsen verging. Die beiden Stralsunder Huren
waren schon manchem übel gelaunten Mann begegnet.
Sie kannten die Grenze. Als er die Angst in ihren
Augen aufglimmen sah, ergriff Lukas das Wort. Er
beugte sich näher zu ihnen hinab und knurrte leise:
»Haltet euer Schandmaul im Zaum, ihr liederlichen
Frauenzimmer. Sagt mir lieber, wo ich das Scharfrichterhaus
finde.«

           In diesem Moment mischte sich eine dritte Frau
ein. Obwohl sie alt, klein und hutzelig war, schob sie sich
vor die beiden Mädchen und bot dem Riesen die Stirn.
          »Wer hier liederlich ist, möchte ich erst noch
geklärt wissen! Wir sind anständig angemeldete Damen
und unterstehen dem Rate. Nur damit das mal
klar ist, wenn so ein ungehobelter Fremder dahergelaufen
kommt. Und was Ihre Frage betrifft, mein Herr,
geht’s zur Fronerei da entlang.« Sie blinzelte kampflustig
mit ihrem einen Auge. Das zweite ging in einer
hässlichen, wulstigen Narbe unter, die quer über die
linke Gesichtshälfte lief.
          Mit ausgestrecktem Arm wies sie nach links auf
das Ende der Gasse. Lukas musste innerlich schmunzeln
über die drahtige Alte, die ihm kaum bis zum
Bauchnabel reichte. Er knirschte einen Dank zwischen
den Zähnen hervor, der eher wie das Knurren
eines Wolfes klang und setzte sich langsam wieder
in Bewegung. Der schwarze Hund folgte ihm unaufgefordert.
          »Recht so, Beke, was bildet der Kerl sich ein!«,
giftete eines der Weiber hinter ihm her.
          »Da könnte ja jeder kommen! Was will der bloß
in der Fronerei beim Tune?«, nuschelte die andere.
»Der Tune wird gar nicht Zeit für den Riesen
haben. Der ist heute arg beschäftigt. Die Blomenowsche
und ihre Tochter sollen hochnotpeinlich befragt
werden. Das wird ihn wohl den ganzen Vormittag
beschäftigen«, wisperte die Erste.
          Die Huren hatten einen erquicklichen
Gesprächsstoff gefunden.
          »Seid still! Was der Witwe Blomenow widerfahren ist,
muss sie ganz allein mit ihrem Schöpfer
ausmachen. Der Tune ist nur sein Werkzeug. Ich
will darüber kein Wort mehr hören, bis das Urteil
gesprochen ist«, fuhr die kleine Hurenmutter Beke
dazwischen. Sie konnte sich Ärger mit dem Henker
nicht leisten, denn er kontrollierte ihr Geschäft. In
Rostock hatte sie seinerzeit ihre Lektion gelernt. Der
Büttel hatte sie mehrmals an den Pfahl gebunden und
gestäupt. Beim letzten Mal so arg, dass er ihr mit dem
Stock ein Auge ausgeschlagen hatte. Seitdem nannte
man sie Beke, die Stupe-Hure. Und seitdem hatte sie
wohl oder übel ihren Frieden gemacht mit der Obrigkeit.
Doch wenn die Kerle auf ihre Mädchen losgingen,
sprang sie immer noch dazwischen. Da war sie
zäh und wehrhaft wie eine Katze.
          Beke starrte die Kuttlosestraße hinunter dem
Fremden hinterher. Von dem war noch Ärger zu erwarten,
das stand für sie fest. Der trug den Geruch
von Blut auf der Haut. Vor dem musste man sich
hüten. »Nehmt euch in Acht vor diesem Mannsbild.
Dem sagt ihr keine frechen Sprüche hinterher. Bestimmt
ein Landsknecht. Der nimmt sich, was er will,
egal wie«, warnte die Hurenmutter die beiden Frauen,
die ihrem Blick folgten.
          »Und der schwarze Köter erst. Schwarz wie ein
Teufel …«
          »Gott sei bei uns, sag nich sowat. Ob der gar mit
dem Hinkefuß im Bunde is?!«
          Weiter kamen sie nicht in ihren Überlegungen,
denn von oben klatschte ein Schwall Schmutzwasser
auf die unbefestigte Straße. Die Dirnen sprangen
kreischend zur Seite und drückten sich an die Hauswand.
Lukas blickte noch einmal über die Schulter
zurück, was der Lärm zu bedeuten hatte. Gerade noch
sah er, wie im ersten Stock ein armdicker heller Zopf
und ein gelber Kleiderärmel verschwanden, ehe das
Fenster zuschlug.

          Protokoll der Befragung der Ursula Blomenow,
Tochter der Witwe Elisabeth Blomenow aus dem Eckhaus
Langenstraße/Kuttlosestraße, beschuldigt des
Mordes am eigenen Kinde
          Zeugen der Befragung sind der hochwohllöbliche
Rat Herr Nikolaus Rode, Altermann der Kramer, sowie
der hochwohllöbliche Rat Herr Gottschalk Vollrath,
Weinhändler
Zum Zwecke der hochnotpeinlichen Befragung
anwesend: Martin Tune, Scharfrichter der Stadt Stralsund,
sowie sein Sohn Wulf Tune als Fronknecht
          Es beginnt mit einer Frage des Ratsherrn Rode:
»Ursula, wie alt bist du?«
          Keine Antwort.
          Ratsherr Rode wiederholt: »Ursel, so sag doch mal.
Wie alt bist du? In welchem Jahr geboren. Weißt du das?«
          Keine Antwort.
          Es fragt der Ratsherr Vollrath: »Ursula Blomenow,
weißt du, warum du hier bist? Weißt du, was man dir
zur Last legt?«
          Keine Antwort.
          Es fragt der Ratsherr Rode: »Ursel, sag mal, hast
du ein Kind geboren?«