STÖRTEBEKER & DIE WULFLAMS – Stralsunder Geschichten von Wilhelmine Fleck

Wilhelmine Fleck (1864-1946) ist eine ebenso kenntnisreiche wie sprachmächtige Chronistin der Hansestadt Stralsund. Auf unnachahmliche Weise gelingt es ihr, die legendären Gestalten der Stadtgeschichte – seien es die Wulflams, Karsten Sarnow, Lambert Steinwich oder gar Klaus Störtebeker – in all ihrer Lebensfülle darzustellen. Ihre Geschichten zeichnen ein Porträt der alten Stadt am Meer, wie es sonst keines gibt.

Die 1864 geborene Mecklenburgerin Wilhelmie Fleck, die den Großteil ihres Lebens in Schwerin verbrachte, ging bereits auf die 60 zu, als 1922 ihr erster historischer Roman „Die Wulflams“ erschien. Sein Erfolg legte den Grundstein für ihren guten Ruf als Heimatdichterin, die sich besonders mit der Geschichte der Hansestadt Stralsund befasste. Ihre Erzählungen beweisen eine umfassende historische und kulturgeschichtliche Bildung. Flecks Erzählweise, die im späten 19. Jahrhundert wurzelt, bietet heute einen fast vergessenen Lesegenuss. Mit erstaunlich kraftvollen und lebendigen Figuren gibt sie Atmosphäre und Charakter der alten Hansestadt Stralsund detailgetreu wieder. Wilhelmine Fleck starb kinderlos 1946 im Schweriner Augustenstift.

Der vorliegende Band enthält folgende vier Geschichten:

  1. Klaus Störtebeker – Ein König der Meere
  2. Die Wulflams – Roman aus der Zeit der Hansa
  3. Das Phantom
  4. Unwetter über dem Sund

STÖRTEBEKER & DIE WULFLAMS – Stralsunder Geschichten von Wilhelmine Fleck
2. Auflage Oktober 2021
496 Seiten, 28 Abbildungen
Fotos: Holger Kummerow, Stralsund/Peter Hoffmann, Stralsund
Nachwort: Peter Hoffmann, Stralsund
Kartoniert, 19 x 12,5 x 3 cm (H x B x T)
ISBN: 9783941093225

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       Hochzeit ist auf dem Hof des reichen Hjalmar
Ingwersen. Man nennt ihn einen Bauern, aber er ist fast
schon ein Herr und der Reichste ringsum. Weit hinaus
leuchten die Fenster des Festsaales. Seit den Tagen König
Swen Estrithsons sitzen die Ingwersens auf diesem Hof
unweit Korsör, der der größte ist in der ganzen Gegend,
und Hjalmar könnte sein Haus ruhig ein Schloss nennen,
so stattlich sieht es aus. Heute verheiratet er seine einzige
Tochter Dagmar mit Magnus Knudsen, dessen Hof an den
seinen grenzt, und der fast ebenso reich ist als er selbst.
Er sieht förmlich geschwollen aus vor Stolz, wenn er an
die Verbindung so vielen Geldes denkt. Die schöne blonde
Braut, mit Ketten und Juwelen reich behangen, macht ein
gelangweiltes Gesicht. Sie mag den Bräutigam nicht. Er ist
dick und faul, ein Witwer, sitzt am liebsten im Lehnstuhl
und möchte seine Ruhe haben. Und Dagmar ist jung und
feurig und möchte – ja, sie weiß selbst nicht recht, was sie
eigentlich möchte – jedenfalls keinen alten dicken Mann.
Es ist schon spät in der Nacht, aber noch immer lärmen
die Gäste, schleppen die Mägde immer neue Kannen Weins
herbei. Wäre es nicht so laut im Saal, man könnte hören,
wie draußen die See ihr Lied singt. Der Vollmond steht
groß am Himmel, aber immer wieder verdecken ihn wild
geballte Wolken, die der Wind unermüdlich heranjagt. Er
pfeift ums Haus, schwillt brausend an und ebbt zurück.
Jemand im Saal spitzt die Ohren.
      „Horch, was war das?“
      „Was wird’s sein? Der Wind rüttelt an den Läden, und
das Dienstvolk lärmt in der Küche. Die Knechte sind schon
toll und voll. Na, mögen sie.“
Da auf einmal Geschrei, Rufen, entsetztes Kreischen der
Mägde, Rennen und Laufen, fremde rauhe Männerstimmen
und fern ein gurgelnder Laut, als sei jemand zu Tode getroffen.
Weit auf fliegt die Tür.
„Ein Fest! Das trifft sich gut. Erwartet habt Ihr uns
zwar nicht, aber wir greifen dennoch zu“, lacht ein großer
Mann in rotem Wappenrock und Panzerhemd. Unter dem
Maschenwerk der Eisenkappe drängen sich blonde Haare
hervor, funkeln übermütige Augen. Hinter ihm drängen
sich seine Gesellen. Und was für welche! O heilige Maria!
Schwarzflaggen! Das Kreischen stirbt den Frauen auf den
Lippen dahin. Der Mann wirft einen Blick über das kostbare
Silbergerät der Tafel.
„Räumt hier ab, Kinder“, ruft er, ergreift den
schwersten Silberhumpen, drückt ihn lachend zusammen
und wirft ihn dem Nächstbesten zu.
Um Gott, das ist Klaus Störtebeker! Es gibt nur einen,
der so was kann. Die Männer sind emporgetaumelt, aber
sie alle haben den Schwertgurt abgeschnallt, und überdies
könnte auch kaum einer noch sich fest auf den Beinen
halten.
„Raubgesindel, dass Gott Euch erschlag! Was erfrecht
Ihr Euch?“, lallt Ingwersen. Da liegt er schon am Boden,
von einem Fußtritt Störtebekers wie eine Nuss in die Ecke
geschleudert. Magnus Knudsen sitzt vor Trunkenheit und
Entsetzen wie gelähmt. Er greint nur: „Gnade, Erbarmen!“
Die Braut rüttelt ihn an der Schulter: „Memme, du!“ Sie
ergreift ein Bratenmesser, drückt es ihm in die Hand. „So
wehr dich wenigstens.“
Aber er kann einfach nicht, selbst wenn er wollte. Da
wendet sie sich verächtlich ab und sieht, wie schön der
Mann im Waffenrock ist. So hatte sie sich den Gatten
gewünscht, und stattdessen war es Magnus Knudsen geworden.
In ihr ist Wikingerblut, wenn sie es auch nicht
weiß. Ihre Vorfahren verheerten vor ein paar Jahrhunderten