Inzwischen hatte sich das andere junge Paar, das vor ihnen herritt, ebenfalls sehr lebhaft unterhalten, wenn auch nicht eben tiefgründige Sachen zwischen ihnen erledigt worden waren. Mona sorgte dafür, dass ihr Gespräch sich mehr auf der konventionellen Oberfläche hielt. Rudolf hätte allerdings lieber ein wenig tiefer geschürft, aber er musste sich an den Ton halten, den sie angeschlagen hatte. Aber wenigstens war sie heute freundlicher und nicht so kalt und abweisend wie sonst.
Im Laufe des Gesprächs sagte er ihr, dass er am nächsten Tage nach Stralsund fahren werde, um einige Antrittsbesuche zu machen.
Sie lächelte schelmisch.
»Daran tun Sie gut, Herr Doktor, Frau Justizrat Zausch wäre sicherlich gekränkt, wenn in ihrem Bekanntenkreise der neue Herr von Lengwitz als unhöflich und formlos verschrien würde. Und das würde zweifelsohne geschehen, wenn Sie diese Besuche unterlassen würden.«
»Haben Sie auch solche Besuche machen müssen, mein gnädiges Fräulein?«
»Sie vergessen, dass ich von Kind auf in dieser Gegend lebte und dass meine Eltern schon mit den Stralsunder Honoratioren verkehrt haben. So bin ich sozusagen mit in diesen Verkehr hineingewachsen und wage darum nicht, irgendwelche Änderungen zu treffen. Ich besuche widerstandslos die offiziellen Festlichkeiten in Stralsund und lade mir die Herrschaften gewissenhaft einmal im Jahre zu einer Abendfestlichkeit und einmal nur die Damen zu einem Tee ein.«
Lächelnd sah er sie an.
»Das klingt sehr ergeben in ein unvermeidliches Schicksal. Ist es sehr schlimm?«
»Nein, nein, das will ich damit nicht sagen, es sind sehr liebe und nette Menschen darunter, und wenn mir einige weniger gefallen, so sage ich mir, dass mir das überall geschehen würde. Im Winter, so nach Weihnachten, fahre ich regelmäßig mit Fräulein Rasch auf einige Wochen nach Berlin, und da genießen wir beide Oper, Theater, Konzerte und einige der großen offiziellen Bälle, zu denen wir eingeladen werden. Fräulein Rasch begleitet mich auch zu den Stralsunder Festlichkeiten. Und zuweilen unterhalten wir uns da beinahe besser als bei den Berliner Massenabfütterungen, die uns oft ein wenig sinnlos erscheinen. In der Hauptsache gehen wir nach Berlin, um Kunst zu genießen und um Einkäufe zu machen.«
»Na also, dann werde ich mich artig den Stralsunder Honoratioren zur Verfügung stellen und in Zukunft meine geistige Anregung auch in Berlin suchen, selbstverständlich ebenfalls nur im Winter.«
»Zu anderer Zeit haben ja die Landwirte auch keine Muße dazu. In Stralsund werden Sie auch nur im Winter mit Einladungen zu rechnen haben, im Sommer pflegt man hierzulande die Geselligkeit zumeist am Strande. Auch hierher in unsere abgelegenen Dörfer kommen die Sommergäste in immer größerer Anzahl. Und dann sieht es hier am Strande ganz anders aus als jetzt.«
»Ich kann mir das denken – aber – darf ich sagen, dass mir der Strand in seiner Einsamkeit besser gefällt? Vor langen Zeiten, als meine Eltern noch in guten Verhältnissen lebten, waren wir zur Erholung des Öfteren an der Ostsee. Wohin wir kamen, stieß ich auf großen Betrieb – aber mir erschien das immer wie eine Entweihung der großartigen Natur, wenn diese Art Jahrmarktstreiben sich breitmachte.«
Sie sah schnell zu ihm auf, und ihre sammetbraunen Augen hatten goldene Lichter.
»Oh, dann stimmen unsere Ansichten überein; ich mag den Strand auch nicht, wenn er von Menschen wimmelt. Dann halte ich mich zurück und bleibe im Glützower Walde, bis es im Herbst wieder still wird.«
»So werde ich es wohl auch halten. Ich liebe das Meer gerade in seiner grandiosen Unbelebtheit. Aber die Menschen, die jedes Jahr nur wenige Wochen oder gar nur Tage an das Meer kommen können, glauben, in diese kurzen Ferientage alles hineindrängen zu müssen, was ihnen Vergnügen macht. Sie lernen ja leider auch das Meer nicht in seiner majestätischen Ruhe kennen. Sonst würde mancher den stillen Strand vorziehen. Ich weiß, dass ich mit meinen verstorbenen Eltern immer möglichst weit weg von allem lärmenden Betriebe gezogen bin.«