Die Sache mit den Englischen Hunden
Sie begegnen einem immer wieder auf dem Fischland, dem Darß und dem Zingst. Ja, sie sind so etwas wie ein heimliches Markenzeichen der größten und wohl auch schönsten Halbinsel Deutschlands: die sogenannten Englischen Hunde. Mal melancholisch, mal verschmitzt, ziemlich oft bloß glotzäugig starrend, so stehen die aus Keramik gebrannten Spaniel und Pudel in den Fenstern der kleinen, reetgedeckten Wohnhäuser und schauen die Passanten an. Und schauen. Und schauen. Sie tun seit Jahrzehnten nichts anderes und haben bestimmt schon viel gesehen. Heerscharen von Touristen zum Beispiel, denn seit gut 100 Jahren befinden sie sich in einer der beliebtesten Urlaubsregionen an der deutschen Ostseeküste. Meist sind sie zu zweit, die Köpfe einander zugewandt. Sie sind weiß, braun-weiß oder schwarz-weiß, manchmal mit Goldglasur veredelt. Mitunter sind sie etwas angeschlagen und wieder geklebt. Oder es ist ihnen in den Zeitläufen der Partner abhandengekommen, was ihre Melancholie nur noch verstärkt. Das Kulturhistorische Museum in Stralsund, wo unsere kulinarische Rundreise ihren Anfang nimmt, sammelt Englische Hunde – auch Kapitäns- oder gar „Puffhunde“ genannt – schon seit Längerem. Auch in den Antiquitätenläden der Stadt taucht immer wieder mal ein Paar für teures Geld auf. Die Seeleute brachten sie einst mit, von denen es auf der Halbinsel etliche gab, darunter Kapitäne mit legendärem Ruf. Im 19. Jahrhundert waren die Hunde beliebter Kaminschmuck oder gar Spielzeug für die Kinder wohlhabender Eltern. Später wurden sie dann geschätzte Sammelobjekte. Besonders Spaniel waren im Mode – eine Lieblingsrasse der hundebesessenen Queen Victoria. Es geht das hartnäckige Gerücht, dass die Porzellanfiguren vor allem die Fenster käuflicher Damen in englischen Hafenvierteln geziert haben sollen. Drehten sie einander die Köpfe zu, soll das in etwa die Bedeutung eines „Besetzt“-Schildes gehabt haben: Wiesen die Rücken zueinander, waren Freier willkommen. Doch die Historiker finden heute keinen wissenschaftlichen Beweis dafür und halten das für eine Legende. Jedenfalls sind wohl einige der Englischen Hunde dieser Legende zum Opfer gefallen, denn manche Erbin stellte einen unheilvollen Zusammenhang zwischen ihrem seefahrenden Großvater und der Hafenprostitution her. So landeten Ende des 19. Jahrhunderts viele der etwas aus der Mode gekommenen Souvenirs auf dem Müll. Glücklicherweise scheint es auf Fischland-Darß-Zingst besonders viele Menschen zu geben, die nichts wegschmeißen können, so dass die unschuldigen Figuren noch heute einen Ehrenplatz in den Fenstern haben. Überhaupt wurzeln die Traditionen in diesem Landstrich tief. Diesen Eindruck gewinnt, wer sich mit den Einheimischen über Essen und Trinken unterhält. Die Stralsunder Kochbuch-Autoren Peter und Katrin Hoffmann, die auch auf Rügen und Usedom schon viele Küchen-Geheimnisse abgelauscht haben, trafen selten auf so viele Menschen, die die alten Rezeptsammlungen ihrer Vorfahren liebevoll hüten. Die ihre historischen Büdner- und Kapitänshäuser aufwendig sanieren und pflegen. Oder die vom uralten Handwerk der Fischerei so viel Ahnung haben. Die Hoffmanns fanden lebendige Heimatmuseen mit engagierten Mitarbeitern, die für jedes Alter interessante Angebote vorhalten. Sie lernten eine Vielzahl von qualitätsbewussten Direktproduzenten und kleinen Manufakturen kennen, die altbewährte Techniken mit moderner Technik sinnvoll kombinieren. Und die nicht nur auf breit streuendes Marketing setzen, sondern auch ganz regelmäßig auf den Wochenmärkten anzutreffen sind, um mit den Kunden ins Gespräch zu kommen. Die Autoren sprachen mit Köchen, die auf Produkte aus der Region schwören und aus altbekannten Zutaten fantastische Kreationen entwickeln. Mit jungen Gastronomen, die Vollwertküche anbieten und Hoteliers, die vegetarische Restaurants in ihren Häusern einrichten. So erreicht das Althergebrachte, Bewährte und Bewahrte eine neue Qualität, die eine wunderbare Alternative darstellt zu Massenproduktion, Markengläubigkeit und Mainstream. Heute werden die Englischen Hunde in Museen und Sammlungen präsentiert. Oder schauen noch immer dem Treiben der Welt auf der Halbinsel zu, werden hin und wieder abgestaubt und zum Fensterputzen beiseite gestellt. Und ab und an greifen sicher immer noch Kinderhände nach den Hunden, um mit ihnen zu spielen. Die Sache mit den Englischen Hunden ist die, dass sie seit rund 150 Jahren treue Begleiter der Menschen auf dem Fischland, dem Darß und dem Zingst sind. Einst mitgebracht von den seefahrenden Bewohnern der Region haben sie in dieser langen Zeit viel gesehen und miterlebt. Auf den folgenden Seiten können Sie miterleben, wie diese stummen Zeugen zum Leben erwachen und Ihre Reisebegleiter werden. Gönnen wir ihnen ein wenig Auslauf und Bewegung, lassen wir sie über Dünen und durch dunkle Wälder streichen, Wild aufspüren und Früchte der Erde erschnüffeln, Ziegen, Schafe und Kühe hüten oder in den Wellen nach Fischen schnappen. Und Sie können dabei sein – zwischen Stralsund und Ribnitz-Damgarten, zwischen Barth und Graal-Müritz, zwischen Ostsee und Saaler Bodden. Möglich gemacht haben das die vielen Mitwirkenden an diesem Buch, die ihre Rezepte, ihr Wissen und ihre Erinnerungen zur Verfügung stellten. Nun sagt Deutschlands schönste Halbinsel: „Guten Appetit!“
Fischerfrühstück
500 g Räucherfisch
4– 5 Brötchen vom Vortag
3 Eier
250 ml Milch
100 g Bauchspeck
1 Bd. Schnittlauch
Salz & Pfeffer
Muskat
Den Räucherfisch häuten, filetieren und absolut sauber entgräten. Die Eier mit Milch verquirlen, mit etwas Salz, Muskat und Pfeffer würzen, reichlich Schnittlauch dazugeben und die in dicke Scheiben geschnittenen Brötchen darin weichen lassen. Den Speck würfeln, auslassen, die Eiermilchbrötchen darin von beiden Seiten anbraten. In das Bratfett zwischen die Brötchenscheiben die gut mit Pfeffer gewürzten Räucherfischstücke geben und das Ganze in der Pfanne zu Tisch bringen. Dazu Senfgurken oder Frischkostsalat reichen.